Since you are using Arachne as a guest, you can only view images of low resolution.
Login

2245: Porträtbüste des Gaius Iulius Caesar

Berlin, Staatliche Museen, Antikensammlung Berlin

Catalog text

Name:

Porträtbüste des Gaius Iulius Caesar

Inventory number:

Sk 342

Author:

Semra Mägele

Provenience:

Die Büste wurde 1767 für Friedrich II. zusammen mit einem Augustus-Porträt (SMB-PK, SBM, Inv. 2169; Hüneke 2009, S. 443 Nr. 295) aus der Slg. Julienne in Paris erworben. Sie wurde vermutlich 1769 in der Bibliothek des Neuen Palais aufgestellt, wo sie 1773 und 1811 nachgewiesen ist. Die Abgabe an das Museum erfolgte im Jahre 1830.

Measurements:

H. ges. 41 cm; B. 26 cm; T. 25 cm; H. Kinn − Scheitel 21,5 cm.

Material/Technique:

Basanit aus dem Wadi Hammamat, Ägypten.

Preservation:

Der Kopf mit Gewandbüste weist einen sehr guten Erhaltungszustand auf. Geringe Beschädigungen finden sich einzig am Rand des rechten Ohrs und am Mantel. Die Pupillenbohrungen sind modern. Stark polierte Oberfläche.

Additions:

Neuzeitlich aus Marmor ergänzt sind die Augeneinlagen, aus dunklem Stein ein Streifen der Tunika unten rechts und ein Stück vom Rand der Toga rechts oben.

Inventories/Archival materials:

Inventar der Skulpturen I, S. 98 f. Nr. 342.

Catalogs:

Oesterreich 1774, S. 46 Nr. 396; Tieck 1832, S. 25 Nr. 169; Gerhard 1836, S. 100 Nr. 169; Verzeichnis 1885, S. 68 f. Nr. 342; Conze 1891, S. 140 Nr. 342; Blümel 1933, S. 4 f. Nr. R 9 Taf. 5; Knittlmayer – Heilmeyer 1998, S. 104 Nr. 55 (Max Kunze); Fless u. a. 2006, S. 103 Nr. 255 (Martin Langner); Grassinger 2007, S. 120 f. Nr. 68; Hüneke 2009, S. 442 mit Abb. Nr. 294 (Sepp-Gustav Gröschel); Schwarzmaier – Scholl – Maischberger 2012, S. 250 f. Nr. 143 (Dagmar Grassinger).

Bibliography:

Bernoulli I 1882, Taf. 18; Arndt – Bruckmann Nr. 265. 266; Brunn – Bruckmann 1902, Nr. 160; Schröder 1923 a, S. 7 Taf. 3; West 1933, S. 78 Abb. 76 Taf. 19; Drerup 1950, S. 6 f. 9 f. 14. 18. 22 Taf. 1; Bonacasa 1961, S. 9 Abb. 7; Fittschen 1973, S. 29 Nr. 1; Johansen 1987, S. 33 Abb. 30; Kunze 1992 b, S. 203 f. Nr. 93; Boschung 1993 b, S. 198 f. zu Nr. 233*; Belli Pasqua 1995 a, S. 65–68 Nr. 1; Friedrich Wilhelm II. 1997, S. 72 Nr . V. 18; Walker – Higgs 2001, S. 222 f. Nr. 199; Beck u. a. 2005, S. 707 f. Abb. 45. 318 Nr. 318; Gentili 2008, S. 151 Nr. 22; Schwarzmaier 2010, S. 109 f. Nr. 3 (Agnes Schwarzmaier); La Rocca u. a. 2011, S. 141 Nr. 2.5 (Francesca Licordari); Heim 2016, S. 178 f.
Zum Abkürzungsverzeichnis

Description:

Das zur linken Schulter gewandte, leicht überlebensgroße Porträt zeigt einen bartlosen Mann in reifem Alter. In dem hageren und schmalen Gesicht dominiert die vertikale Achse, die durch einen lang-ovalen Gesichtsumriss, die hohe Stirn und die schmale und lange Nase formuliert wird. In der Profilansicht zeigt sich ein runder Schädel mit weiter Ausdehnung. Das Bildnis ist charakterisiert durch scharf gezeichnete Gesichtszüge, wie sie in den Krähenfüßen der äußeren Augenwinkel, den tiefen und fleischigen Nasolabialfalten und den senkrecht über der Nasenwurzel aufsteigenden Stirnfalten zum Ausdruck kommen. Die großen Augen sind durch die schweren Oberlider, die scharfkantig abgesetzten und gewölbten Orbitale sowie die stark geschwungenen und gratigen Augenbrauenlinien in ihrer dominanten Stellung hervorgehoben. Betont wird die Augenpartie zudem durch die mittels der Brauenkontraktion hervorgehobenen kräftigen Stirnwülste.
Die Lebendigkeit, wie sie die Augenpartie widerspiegelt, setzt sich auch in dem Karnat mit seinen weich ineinander fließenden Hebungen und Vertiefungen auf den Wangen und um die Mundpartie fort. Dabei legt sich das Karnat sehr straff und glatt über das Knochengerüst, was im Bereich der hohen Wangenknochen und der Stirn- und Schläfenpartie besonders deutlich wird. An der durch zwei parallele Falten markierten und leicht eingetieften Nasenwurzel setzt die schmale Nase an, die in der Profilansicht einen sanften Höcker zu erkennen gibt. Der fest geschlossene und weich gestaltete Mund zeigt schön geschwungene Lippen mit kleinen, nach unten weisenden Grübchen an den Mundwinkeln, wodurch der Eindruck eines dezenten Lächelns erzeugt wird. Unter dem Mund setzt sich das markant gerundete Kinn durch eine bogenförmige Linie und starke Einziehung unter der Unterlippe deutlich ab. Aufgrund der Kopfwendung wirft der Hals mehrere tief eingekerbte Stauchfalten an der linken Halsseite. Das sehr flach am Schädel anliegende und ohne jegliches plastisches Volumen in die Oberfläche eingeritzte Haar zeigt kurze Sichellocken, die vom Wirbel auf dem Hinterkopf nach vorne gestrichen und in parallelisierten Gruppen auf einer Ebene angeordnet sind; sie geben den Ansatz von Geheimratsecken zu erkennen. Durch die Ausarbeitung wirkt das Haar schütter und dünn, was wiederum den hageren Gesichtsausdruck intensiviert. Die in sich nochmals differenzierten Locken sind an den Schläfen und vor den Ohren nach hinten gestrichen, wogegen sie über der Stirn nach vorne und mit ihren Spitzen nach links gekämmt sind.
Der Kopf sitzt mit seinem dünnen und sehnigen Hals auf einer Togabüste. Auf ihrer linken und rechten Seite wird der Hals des Dargestellten vom Saum der Toga begrenzt, während die Tunica unterhalb des Schlüsselbeins wiedergegeben ist.

Dating:

Das sicher antike Bildnis ist von außerordentlicher bildhauerischer Qualität und zeigt bei aller Individualität ein Zeitgesicht der späten Republik bzw. der frühen Kaiserzeit, das zahlreiche Porträts von Privatpersonen formal beeinflusst hat (vgl. Johansen 1987, S. 28–40; Grassinger 2007). Das Fehlen extremer realistischer Züge zugunsten einer beruhigten und stark geglätteten Modellierung mit teilweise scharfen Akzenten ist stilistisch in das letzte Viertel des 1. Jhs. v. Chr. einzuordnen. Zugleich handelt es sich um ein Stilmittel, das auch bei zeitgleichen Bildnissen aus Ägypten belegt ist, wie ein marmorner Kopf mit gleicher Frisur und Kopfform in Berlin (SMB-PK, ANT, Inv. Sk 1556) zeigt. Der häufige Hinweis auf den knappen Büstenausschnitt, der die toga in pallium wiedergibt (Goette 1990, S. 24–26), ist von der republikanischen Zeit bis um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. bezeugt und besitzt als Datierungskriterium nur geringes Gewicht.

Interpretation:

Das Bildnis erfuhr in der Vergangenheit eine intensive wissenschaftliche Diskussion, die sich vornehmlich mit der antiken Authentizität und Identität des Dargestellten beschäftigte. Für die antike Entstehung sprach sich zu Recht schon Blümel mit dem Verweis auf die Sinterspuren im Haar aus (Blümel 1933, S. 5), was in der Folge auch mit dem Verweis auf die stilistischen Merkmale (vgl. Fittschen 1973, S. 29; Boschung 1993 b, S. 199; Grassinger 2007, S. 121; zuletzt La Rocca u. a. 2011, S. 140) nicht mehr angezweifelt wurde. Hieran eng geknüpft war die Bildnisbenennung. Auch wenn die mehrheitliche Forschungsmeinung wie auch die jüngsten Publikationen (vgl. La Rocca u. a. 2011, S. 140; Schwarzmaier 2010) sich eindeutig für eine Benennung des im Jahre 44 v. Chr. ermordeten Diktators C. Iulius Caesar aussprechen, bleibt weiterhin ein Unsicherheitsfaktor bestehen (vgl. Grassinger 2007, S. 121). Gegen eine Benennung als Caesar sprach sich Boschung 1993, S. 199, aus; seine Einschätzung hat er jedoch revidiert und sieht in dem Bildnis heute ebenfalls Caesar [mündl. Mitteilung]). Ein wesentlicher Grund hierfür war die große Menge von Bildnissen, die allgemein als Porträts des C. Iulius Caesar galten (vgl. Hofter 1989; Johansen 1987, S. 17). Die Methoden der Replikenrezension führten unter Heranziehung der Münzbilder letztendlich zu einer deutlichen Reduktion der sicher benennbaren Caesar-Porträts (vgl. Fittschen 1973, S. 29; Fittschen 1977, S. 33 f.; Johansen 1987; zu der statuarischen Überlieferung von Caesar vgl. Zanker 2008), die entweder dem zeitgenössischen Bildnistypus Aglié (bekannt auch unter der Bezeichnung Tusculum; vgl. den jüngsten Fund von Pantelleria, Schäfer 2004, S. 22; vgl. auch Valeri 2005, S. 130–140) oder dem postum geschaffenen Chiaramonti-Camposanto zugerechnet werden. Dass die Caesar-Typologie weiterhin problematisch bleibt, belegen die jüngst gemachten Funde eines Porträtkopfes aus der Rhône bei Arles (Long 2009; Johansen 2009) oder eines Kopfes aus Puteoli (Valeri 2005, Nr. V.2).
Auch wenn die Berliner Büste keine getreue Wiederholung eines der Bildnistypen darstellt, ist die typologische Abhängigkeit vom Typus Chiaramonti-Camposanto evident: Der Vergleich mit der namengebenden Replik (Rom, Vat. Mus. Sala dei Busti Inv. 122: Gentili 2008, S. 124 f. Nr. 1) zeigt deutliche formale Parallelen, die in der Wiedergabe der Augen mit den Krähenfüßen, der Faltenanlage an der Nasenwurzel, der Nasolabialfalten, der Kinn- und Wangenpartie und in der Form des Mundes zum Ausdruck kommen. Ähnlich ist auch die lange und schmale Nase, die jedoch bei der Berliner Büste an der Nasenspitze weniger gebogen ist. Die Gesichter haben zudem die schmale und hagere Form gemeinsam. Der deutlichste Unterschied betrifft die Frisur bzw. die Anlage der Locken, die vielmehr an das schüttere Haar des Typus Aglié erinnert. Die eingravierten Haare des Berliner Porträts sind sehr wahrscheinlich dem Material geschuldet, bei dem es sich um die in Ägypten abgebaute, sehr wertvolle Grauwacke handelt, deren extreme Härte im Vergleich zu Marmor nur eine reduzierte plastische Bearbeitung zulässt (vgl. La Rocca u. a. 2011, S. 141). Der hohe Wert des Materials bedingte die Nutzung nur für Skulpturen wichtiger Persönlichkeiten wie Pharaonen oder Gottheiten. Dieser Aspekt und nicht zuletzt die typologischen Bezüge rechtfertigen eine Benennung als C. Iulius Caesar.

Reception:

Die Bildnisbüste kann angesichts des Materials, des Erwerbs und der Maße nicht isoliert von dem in grünem Basalt gefertigten und meist als neuzeitlich interpretierten Augustus-Bildnis (SMB-PK, SBM, Inv. 2169, ehem. Sk 1332) betrachtet werden. Beide Bildwerke gelangten 1767 mit dem Ankauf der Sammlung Julienne nach Berlin. Ihre Herkunft bzw. der Fundort bleibt jedoch unbekannt, wobei angesichts des benutzten Materials Ägypten als Herstellungsort sehr wahrscheinlich ist.
In dem Verkaufskatalog der Sammlung Julienne von 1767 waren beide Büsten, nunmehr mit einem Bronzesockel versehen, zusammengestellt und zunächst als Bildnisse des Cicero und des Drusus bezeichnet (Hüneke 2009, S. 294 f. [Astrid Dostert]). Von der Zusammengehörigkeit der Büsten zeugt auch die gemeinsame Aufstellung in der Bibliothek Friedrichs II. im Neuen Palais (Hüneke 2009, S. 708 Abb. unten rechts). Die Abgabe der Büsten an das Königliche Museum erfolgte im Jahre 1830. Die Echtheit der Caesar-Büste wurde vereinzelt zur Diskussion gestellt (vgl. Johansen 1987, S. 33), wogegen die Augustus-Büste schon am Ende des 19. Jhs. als neuzeitliches Werk bewertet wurde (Bernoulli II 1, 1886, S. 43 Nr. 88; Conze 1891, S. 140 Nr. 1332; ebenso Boschung 1993, S. 199). Die gängige Einschätzung dieses Augustus-Bildnisses wurde jedoch jüngst in Frage gestellt (Hüneke 2009, S. 443 Nr. 295 [Astrid Dostert]). Es wird nunmehr auch als im Kern antik bewertet, habe aber eine tiefgehende neuzeitliche Überarbeitung erfahren. Ohne eine Begründung für diese postulierte Überarbeitung nennen zu können, bildeten beide Büsten eine Einheit von programmatischer und inhaltlicher Dimension.